Freitag, April 26, 2024

Orthorexie

Orthorexie – Tipps und Infos zum Gesundheitszwang

Gesund essen und auf die Qualität der Lebensmittel achten – zweifellos wird der überwiegende Teil der Verbraucher hierin einen lobenswerten Ansatz erkennen. Gilt eine zunehmend von Fast Food, Zucker, Fett und Bewegungsmangel geprägte Lebensweise mit als Ursache für verschiedene Erkrankungen – wie Diabetes, Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen usw. Darüber hinaus sorgen Lebensmittelskandale regelmäßig für Verunsicherung in Bezug auf die Lebensmittelqualität.

Fazit: Wer sich gesund ernährt, macht vieles richtig. Letztlich kann davon nicht nur die eigene Gesundheit profitieren. Allerdings zeigt sich seit einigen Jahren immer deutlicher, dass die gesunde Ernährung auch eine Kehrseite hat. Spätestens, wenn die Ernährung zur Obsession wird, sind Probleme vorprogrammiert. Gesundes Essen ist dann nicht mehr Lebensmittel – es wird zum Lebensmittelpunkt.

Orthorexia nervosa: Gesundes Essen als Krankheit

[toc]

Die erste Beschreibung der Sucht nach gesunder Ernährung stammt aus den USA. Ende der 1990er Jahre beobachtete der Arzt Steven Bratman die Symptome und Anzeichen der Essstörung nicht nur bei seinen Patienten, er gehörte selbst auch zu den Betroffenen. Es wurde für den Arzt zunehmend wichtiger, sich an den Ernährungsplan zu halten und immer ausgefeiltere Methoden zu entwickeln, wie das Ziel gesundes Essen erreicht werden konnte.

Und Bratman prägte auch den Begriff Orthorexie bzw. Orthorexia nervosa. Entlehnt aus dem Griechischen, bedeutet er soviel wie der „richtige Appetit“. Kennzeichnend ist dabei die Tatsache, dass Betroffene individuelle Maßstäbe an die eigene Ernährung anlegen. Was gesund ist, unterliegt dabei ganz unterschiedlichen Kriterien. Einerseits kann es vorkommen, dass bestimmte Fette oder Zucker vermieden werden. Auf der anderen Seite wäre eine Variante der Orthorexie die Vermeidung bestimmter oder aller Zusatzstoffe bzw. der komplette Verzicht auf tierische Produkte.

Die genaue Ausprägung lässt ein breites Spektrum zu. Allerdings lassen sich bei Betroffenen immer wieder spezielle Muster erkennen, die nach Ansicht verschiedener Experten typisch für die Essstörung Orthorexia nervosa sind.

Symptome der Orthorexie

Anders als Krankheitsbilder, die auf Organleiden zurückgehen, sind Essstörungen – zu denen Orthorexia nervosa gehört – im Alltag erst sehr spät zu erkennen. Da im Rahmen der Orthorexie anders als bei Magersucht nicht das Gewicht der Betroffenen im Vordergrund steht, fällt ein Erkennen einzelner Symptome besonders schwer.

Was aber kommt als Anzeichen für Sie als Angehöriger oder Betroffener in Frage? Orthorexie ist der obsessive Drang zur gesunden Ernährung. Ähnlich anderen Essstörungen kreisen die Gedanken der Patienten immer wieder um die Frage, was gesund ist oder wie sich frische Lebensmittel gesund zubereiten lassen. In der Folge werden diese selbst auferlegten Zwänge immer komplizierter und restriktiver. Es kommt vor, dass Sie:

  • auf eine wachsende Zahl an Lebensmitteln verzichten
  • immer mehr Zeit für die Zubereitung aufwenden müssen
  • sich bei Übertretungen des Ernährungsplans selbst sanktionieren
  • das Umfeld zunehmen in Bezug auf die Ernährung beeinflussen wollen
  • eine Vernachlässigung sozialer Kontakte in Kauf nehmen.

Das Problem: Alle geschilderten Anzeichen können in gewissem Umfang auch auf Personen zutreffen, die in der Summe kein orthorektisches Verhalten an den Tag legen. Beispielsweise wird ein Vegetarier die Einladung zum Spanferkel essen einfach ausschlagen, weil offensichtlich ist, dass er mit leerem Magen nach Hause geht. Übergänge zwischen einer gesunden (etwa veganen) Ernährung und Orthorexie sind mitunter fließend.

Orthorexia nervosa – die Diagnose

Vegane Ernährung
CC0

Da Orthorexie seitens der Schulmedizin bisher keine anerkannte Essstörung ist, fällt eine Diagnose im klassischen Sinn natürlich schwer. Dabei ist es dringend erforderlich, Orthorexia nervosa in akuten Fällen einer Behandlung zu unterziehen bzw. Hilfe zur Verfügung zu stellen. Der Grund: Orthorexie-Patienten können mit Fortschreiten der Störung einen Zwang entwickeln, der erhebliche Auswirkung auf die Versorgung mit Nährstoffen hat. Eine Folge dieser radikalen Variante reicht bis hin zu Anzeichen der Mangelernährung – Orthorexie kann von Anorexie begleitet werden.

Experten, die sich in der Vergangenheit intensiver mit dem Thema Orthorexie befassen, haben einen Fragenkatalog entwickelt. Dazu gehören beispielsweise Fragen wie:

  • Geht es Ihnen mehr um die Eigenschaften des Essens als den Genuss?
  • Haben Sie sich durch die „Diät“ sozial isoliert?
  • Planen Sie heute schon das gesunde Essen für den morgigen Tag?

Haben Sie den Verdacht, selbst von Orthorexie betroffenen zu sein, sollten Sie sich zudem fragen, ob die Gedanken über mehrere Stunden täglich rund um das Thema gesunde Ernährung kreisen – oder Sie sich anderen hierdurch überlegen fühlen?

Behandlung der Orthorexie

Betrachtet man die aktuelle Situation in Bezug auf die Stellung der Orthorexie als Essstörung, sind Ähnlichkeiten zur Anorexie – also der Magersucht zu erkennen. Während es bei der Orthorexie in erster Linie um die Qualität geht, steht bei Letzterer die Quantität im Mittelpunkt. Die Behandlungsansätze ähneln sich aber: Im Zuge stationärer bzw. ambulanter Therapien wird versucht, Patienten wieder einen entspannten Umgang zur Ernährung aufzuzeigen. Das Problem liegt allerdings darin, dass Orthorektiker das eigene Fehlverhalten oft nicht erkennen wollen bzw. die Einsicht erst dann aufkeimt, wenn Symptome der Mangel- und Unterernährung hinzutreten.

Fazit

Eine gesunde Ernährung hat viel damit zu tun, dass ein Bewusstsein für Lebensmittelqualität, deren Herkunft und die richtige Zubereitung entsteht. Diese positive Lebensweise kann allerdings ins Gegenteil umschlagen – und zur Orthorexie werden. Ob Sie davon bereits betroffen sind oder Gefahr laufen, zum Orthorektiker zu werden, hängt auch davon ab, ob Ihnen das Essen noch Spaß macht und mit Genuss verbunden ist. Oder sich gesundes Essen zu einem inneren Zwang entwickelt hat.